Direkt vor der Prolight + Sound 2019 hat es eine hitzige Debatte über die Urheberrechtsreform der EU gegeben. YouTuber protestierten, Politiker diskutierten und am Ende wurde die EU-Richtlinie trotzdem verabschiedet. Dabei ist in vielerlei Hinsicht noch unklar, wie genau die Reform in den einzelnen Staaten greifen wird – und welche Auswirkungen sie speziell für die Veranstaltungsbranche haben wird. Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, erklärt im Interview, welche Änderungen mit der Urheberrechtsreform einhergehen und welche Konsequenzen dies für Unternehmen und Privatpersonen hat.
1. Seit dem 15. April 2019 ist der Rechtsprozess der umstrittenen Urheberrechtsreform der EU abgeschlossen. Es gab im Vorfeld viele Diskussionen und Proteste. Fassen Sie für unsere Leser kurz zusammenfassen, was sich mit dem neuen Urheberrecht ändert.
Wie genau das neue Urheberrecht tatsächlich in den einzelnen EU-Staaten aussehen wird, ist die große Frage und bislang weiß noch niemand eine Antwort.
Konkret bezogen auf den am meisten umstrittenen Artikel 13 gibt es (grob) drei Szenarien:
a) Artikel 13/17 wird fast wortgetreu in Deutschland und den anderen EU-Staaten umgesetzt. Dann müssen Plattformen, die nutzergenerierte Inhalte zu kommerziellen Zwecken organisieren und fördern, zukünftig beste Anstrengungen unternehmen, um Lizenzvereinbarungen für die urheberrechtlich geschützten Werke zu schließen, die dort hochgeladen werden. Sind die Rechteinhaber nicht gewillt, die Nutzung ihrer Werke im Netz zu erlauben, so müssen die betroffenen Plattformen dem Wortlaut der Richtlinie nach ebenfalls „beste Anstrengungen“ unternehmen, um den Upload solcher Inhalte zu verhindern. Der Einsatz sog. Uploadfilter wäre dem Wortlaut von Artikel 13 nach alternativlos. Auch, wenn die Urheber nicht initiativ ihre Werke bei der Plattform für die Filterung hinterlegt haben, müssen die Plattformen nach einer Rechtsverletzung ebenfalls bestmöglich dafür sorgen, dass dasselbe Werk zukünftig nicht mehr hochgeladen wird. Nutzer, deren Uploads geblockt wurden, müssen sich im Nachhinein beschweren.
b) Der deutsche Gesetzgeber findet tatsächlich einen EU-rechtskonformen Weg, im Wege der Umsetzung in deutsches Recht, Upload-Filter zu verhindern. Das halte ich zwar für europarechtlich sehr schwer zu begründen, doch laut Zusatzprotokollerklärung der Regierung (insbes. auf Druck der SPD) ist dies das Ziel. Dann haben wir vielleicht in Deutschland keine Upload-Filter, aber dafür möglicherweise einen Flickenteppich in der EU. Dann könnten private Nutzer alles hochladen und müssten nicht fürchten, dass ihre Inhalte blockiert oder sie abgemahnt werden. Zahlen müssen die Plattformen. Je nachdem, ob auch kleinere Plattformen erfasst wären, könnte die finanzielle Belastung sie in die Knie zwingen. Die Künstler bzw. Rechteinhaber erhielten mehr Geld, könnten aber häufig nicht verhindern, dass ihre Inhalte ins Netz geladen werden.
c) Derzeit liegt die Prüfung der Richtlinie in den Händen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), denn Polen hat eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Beschließt der EuGH noch vor Ablauf der zweijährigen Umsetzungsfrist, dass die Urheberrechtsreform nichtig ist, wird sie nicht in nationales Recht umgesetzt. Dann muss sie entsprechend der Vorgaben des EuGH neu ausgearbeitet und beschlossen werden. Die Mitgliedstaaten hätten dann erneut zwei Jahre Zeit für eine Umsetzung. Alles bliebe erst einmal, wie es ist. Die Plattformen haften nur, wenn sie auf eine Rechtsverletzung aufmerksam gemacht wurden und nicht reagieren. Stattdessen müssen die Rechteinhaber sich an die Nutzer wenden, wenn sie z.B. Schadensersatz verlangen wollen.
2. Gibt es – ähnlich wie beim Datenschutz – eine Übergangsfrist? Wenn ja, bis wann muss die Richtlinie final umgesetzt sein?
Die Richtlinie wurde am 15. April 2019 verabschiedet. Jetzt haben die EU-Mitgliedstaaten noch knapp zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben in ihr nationales Urheberrecht umzusetzen. Dabei haben sie – je nach Ausgestaltung des jeweiligen Artikels der Richtlinie – mehr oder weniger Gestaltungsspielraum. Wenn das nationale Urheberrecht dann angepasst wurde, gilt es unmittelbar.
Der Unterschied zur DSGVO lag darin, dass es sich dort um eine EU-Verordnung handelte, die unmittelbar in allen EU-Staaten gilt. Hier haben die Staaten aber wegen der vielen Umstellungen, die auf Unternehmen zukamen, eine Frist von zwei Jahren für die Anwendbarkeit der DSGVO eingeräumt. Anders eine Richtlinie. Diese muss erst in nationales Recht umgewandelt werden, um Geltung zu erlangen.
3. Wer ist davon vor allem betroffen?
In unterschiedlichem Maße werden folgende Gruppen von Artikel 13/17 betroffen sein:
- Die Nutzer, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material hochladen (wollen) und es nicht können.
- Die Rechteinhaber (v.a. große Konzerne und Verwertungsgesellschaften), weil sie zukünftig mehr Geld bekommen, aber auch mehr Macht darüber haben werden, was im Netz hochgeladen werden darf und was nicht.
- Die Plattformen, weil sie zukünftig viel Geld ausgeben müssen für Lizenzvereinbarungen, Upload-Filter-Systeme inkl. Speicherplatz für die Dateien der Urheber und Personal für den Beschwerdemechanismus.
Die Richtlinie enthält darüber hinaus aber noch viele andere Regelungen wie z. B.:
- das Leistungsschutzrecht für Verlage (Artikel 11/15). Welche Auswirkungen dieses haben wird, ist noch unklar. Ziel ist es, dass Google und andere Nachrichtendienste künftig bezahlen, wenn sie längere Ausschnitte aus Zeitungsartikeln anzeigen.
- die mögliche Wiedereinführung der Verlagsbeteiligung (Artikel 12/16) – in Deutschland beträfe das die VG Wort-Ausschüttungen. Mit letzterer Regelung werden die Verlage gestärkt, wohingegen die Künstler selbst finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.
4. Welche Konsequenzen hat die neue EU-Richtlinie für Privatpersonen und Unternehmen, wenn sie Videos, Bilder und Texte auf Plattformen hochladen? Viele Medien, Agenturen und Unternehmen nutzen Plattformen wie YouTube, Facebook oder Instagram für ihre Berichterstattung und ihr Marketing. Worauf müssen diese in Zukunft achten?
Zukünftig müssen sich Privatpersonen auf den Plattformen, auf die Artikel 13/17 anwendbar ist, wahrscheinlich weniger Gedanken darüber machen, abgemahnt zu werden, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material dort hochladen. Zwar gibt es in Artikel 13/17 noch eine Lücke – diese könnten die Mitgliedstaaten aber schließen, sodass zumindest dieses Risiko für die Nutzer wegfällt.
Für Unternehmen gilt das nicht. Die Lizenzvereinbarungen, die Plattformen mit den Rechteinhabern abschließen müssen, gelten nicht für gewerbliche Nutzungen. Unternehmen müssen also wie bisher darauf achten, eine Social-Media-Lizenz für Fotos, Videos und Texte zu erwerben, bevor sie das Material online stellen.
Sowohl bei Privatpersonen als auch bei Unternehmen kann es zukünftig sein, dass das Material, das sie hochladen möchten, geblockt wird, weil das Filtersystem ein „Match“ mit Material von Rechteinhabern erkannt hat. Dann müssen sie eine Beschwerde bei der Plattform einlegen und warten, bis das Material freigegeben wird. Bei Live-Streams ist ein solcher Mechanismus leider sehr nachteilig.
Es könnte aber sein, dass z.B. ein Rechteinhaber bestimmte Inhalte grundsätzlich ins Upload-Filter-System einspeisen lässt, es aber einzelnen Unternehmen/Personen erlauben wird, diese Inhalte exklusiv zu nutzen. Dafür muss dann eine technische Lösung zum „Whitelisten“ gefunden werden, damit das Filtersystem diese Inhalte nicht blockiert.
5. Die Prolight + Sound ist eine Messe für Veranstaltungstechnik. Dort werden neue Produkte und Highlights häufig mit Shows präsentiert. Diese sind natürlich auch mit Musik untermalt. Gibt es hier zukünftig Fallstricke?
Auf der Messe selbst wird sich nichts ändern – die Reform des Urheberrechts betraf vor allem das Internet. Es könnte natürlich schwierig werden, Aufnahmen von der Messe selbst in den sozialen Medien online zu stellen, wenn die Musik auf der „Blacklist“ des Upload-Filters steht. Auch hier müsste man sich als kommerzieller Veranstalter um gesonderte Internet-Lizenzen z. B. bei den Verwertungsgesellschaften sowie um eine „Whitelistung“ bemühen, wenn dies technisch so vorgesehen ist.
6. Mit welchen Konsequenzen muss beim Verstoß gegen die neue Richtlinie gerechnet werden?
Sobald die Richtlinie ins nationale Recht umgewandelt wurde, drohen beim Verstoß gegen das Urheberrecht die üblichen Konsequenzen. Primär können Rechteinhaber den Rechtsverletzer abmahnen und verklagen, vor allem auf Unterlassung und Schadensersatz. Hinzu kommen häufig die Abmahnkosten für die Anwälte sowie – sollte man verlieren – die Kosten für ein Gerichtsverfahren und den gegnerischen Anwalt.
[hero_unit title=”” text=”Christian Solmecke (45) hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE auf die Beratung der Internet und IT-Branche spezialisiert. So hat er in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce der Kanzlei stetig ausgebaut und betreut zahlreiche Medienschaffende, Web 2.0 Plattformen und App-Entwickler. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist Christian Solmecke vielfacher Buchautor und als Geschäftsführer der cloudbasierten Kanzleisoftware Legalvisio.de auch erfolgreicher LegalTech Unternehmer.” btn_style=”default” btn_size=”normal” target=”_self”]
Bildquellen: mohamed Hassan auf Pixabay, Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE