„Das Publikum der 10 Tourkonzerte hat zusammen fast 1.200 mal die Welt umrundet.“ Das ist eines der Ergebnisse des Projektes TICKET TO RIDE. Die Initiative begleitete 10 von 13 Konzerten der AnnenMayKantereit Sommertournee 2023 und untersuchte die Emissionen, welche die bei den Veranstaltungen entstanden. Das Ergebnis: 88 Prozent der Emissionen der Tour entstanden durch die An- und Abreise des Publikums. Hier setzt das Projekt von The Changency und Crowd Impact an.
Green Events: Reduktion von CO2-Emissionen
Die Veranstaltungsbranche steht vor einer großen Herausforderung: die Reduktion von CO2-Emissionen, insbesondere bei der An- und Abreise des Publikums. Das Projekt TICKET TO RIDE, initiiert von The Changency und Crowd Impact, zeigt eindrucksvoll, wie dies gelingen kann.
Die Initiatoren von TICKET TO RIDE verfolgen eine klare Vision: Eine nachhaltigere und gerechtere Welt durch umweltfreundliche Mobilität bei Großveranstaltungen. Ziel des Projekts ist es, das Bewusstsein für nachhaltige Anreiseoptionen zu schärfen und konkrete Maßnahmen zur CO2-Reduktion umzusetzen.
„Die Idee entstand im Zuge des Projekts ‚Plant a SEEED‘ von The Changency im Sommer 2022, bei dem wir uns die Umweltauswirkungen von Großveranstaltungen im Rahmen von 5 Konzerten der Band Seeed genauer angeschaut haben. Dabei fiel uns auf: fast 90% der Emissionen der Shows entstanden durch die Anreise des Publikums. Das wollten wir nicht einfach nur als Erkenntnis hinnehmen, sondern herausfinden, wie man diese Emissionen reduzieren kann. So ist TICKET TO RIDE entstanden.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
TICKET TO RIDE bei der Sommertournee 2023 von AnnenMayKentereit
Umgesetzt hat das Team um Rosa Hoelger das Projekt unter anderem auf der Sommertournee 2023 von AnnenMayKantereit, einer deutschen Pop-Rockband aus Köln, die 2011 gegründet wurde. Dabei schaute sich die Initiative unterschiedliche Fragestellungen unter anderem an, wie das Publikum anreist und wie die Anreise mit gezielten Maßnahmen nachhaltiger gestaltet werden kann.
„Auf 10 von 13 Konzerten der Tour war TICKET TO RIDE dabei und hat damit 215.000 Besucher*innen erreicht. Bei allen 10 Konzerten haben wir mit der Mobilitäts-App “Crowd Impact” insgesamt mehr als 5.000 Fans zu ihrer Anreise befragt – und damit den besten bisherigen Datensatz in Deutschland dazu geschaffen.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Kommunikations- und Aktionskampagne reduziert Anreise-Emissionen
Neben der Befragung durch TICKET TO RIDE informierte eine gezielte Kampagne das Publikum über umweltfreundliche Anreisemöglichkeiten. Dies geschah über verschiedene Kanäle, darunter Mailouts, Social Media und Webseiten. Die Kampagne erzielte positive Resonanz und motivierte viele Besucher*innen zur Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel.
- ÖPNV-Kombitickets: In fünf Städten wurde den Konzertbesucher*innen ein kostenloses ÖPNV-Ticket angeboten. Dies führte zu einer signifikanten Erhöhung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und trug wesentlich zur CO2-Reduktion bei. Besonders gut angebundene Städte wie Berlin verzeichneten eine hohe Akzeptanz und Nutzung dieser Option.
- Sichere Fahrradstellplätze: Die Schaffung sicherer und bewachter Fahrradstellplätze in Städten wie Hannover und Dresden motivierte viele Besucher*innen zur Anreise mit dem Fahrrad. Dies unterstreicht die Bedeutung sicherer Abstellmöglichkeiten für die Förderung nachhaltiger Mobilität.
Und die Kampagne zeigte erste Erfolge: „bei den Erreichten wurde die Anreise-Emissionen um 19 Prozent gesenkt“, erklärt Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE. „Das zeigt einmal mehr, wie wichtig und effektiv Kommunikation zu diesem Thema ist.“
Die Ergebnisse der Initiative verdeutlichten noch einmal, was sich bereits bei der vorherigen Studie „Plant A SEEED“ aufgezeigt hatte: die Mobilität macht mit Abstand den größten Anteil des CO2-Fußabdrucks aus.
„88 % der Emissionen der Tour sind durch die An- und Abreise des Publikums entstanden! Das Publikum der 10 Tourkonzerte hat zusammen fast 1.200 mal die Welt umrundet. Hier müssen wir ansetzen, wenn wir Konzerte nachhaltiger umsetzen wollen.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Relevante Ergebnisse und Zahlen der AnnenMayKantereit Sommertournee 2023
- Publikum: 215.000 Besucher*innen bei 10 Konzerten der AnnenMayKantereit Sommertournee 2023
- Emissionen: Die Anreise verursachte 88% der gesamten Tour-Emissionen. Durchschnittlich entstanden 12,44 kg CO2 pro Person.
- Mobilitätsverhalten: 52% nutzten öffentliche Verkehrsmittel, 7% reisten zu Fuß oder mit dem Fahrrad an, 40% mit dem Auto (durchschnittlich 2,8 Personen pro Auto).
Positiv Ergebnisse am runden Tisch und im Netz
Das Projekt von The Changency wurde durchweg positiv aufgenommen.
„Auf das Announcement des Projektes durch die Band, gab es auf Instagram mehr als 18.000 Likes und fast 300 Kommentare. Diese waren durchweg positiv gegenüber dem Projekt.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Generell kam die Initiative in den sozialen Medien sehr gut an. Das zeigt auch eine kleine Fan-Aktion in Dresden, bei der 1.000 gravierte Äpfel als Dankschön an Fans verschenkt wurden, die mit dem Rad oder dem ÖPNV anreisten. Diese Aktion wurde dann vielfach von Fans in den sozialen Netzwerken geteilt.
Auch abseits der sozialen Medien entfacht das Projekt Diskussionen. „Mit den Ergebnissen haben wir dann bei einem runden Tisch im März 2024 den Dialog angestoßen und systemische Hebel diskutiert, u.a. mit Akteuren wie Deutsche Bahn, BDKV, Eventim oder Agora Verkehrswende“, erzählt Rosa Hoelger. Seit Mai gibt es alle Erkenntnisse kostenlos auf tickettoride.net.
Herausforderungen und Chancen der nachhaltigen Mobilität bei Events
TICKET TO RIDE zeigt eindrucksvoll wie Großveranstaltung grüner und nachhaltiger werden können. Das Projekt verdeutlicht allerdings auch, welche Herausforderungen bei der Umsetzung von nachhaltigen Mobilitätskonzepten zukünftig auf die Branche zukommen.
Kommunikation als Schlüssel zur umweltfreundlichen Anreise
Veranstalter- und Veranstalterinnen können zwar die Rahmenbedingungen und Anreize für eine umweltfreundliche Anreise schaffen. Die Entscheidung liegt aber letztendlich bei den Teilnehmern. „Deswegen ist die Kommunikation ein zentraler Hebel“, Rosa Hoelger.
Außerdem hat auch auf Regionalität Einfluss auf die Emissionen von Veranstaltungen. Diese kann von Veranstaltern bereits bei der Planung und beim Booking beachtet werden.
„Es ist sehr viel umweltfreundlicher, wenn Bands zu den Fans reisen und nicht umgekehrt.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Es ist in jedem Fall nachhaltiger, wenn Künstler nicht mehrere Veranstaltungen am selben Ort spielen, sondern mehrere – vielleicht auch kleinere Orte – besuchen. Stehen nur wenige Orte auf dem Tourplan führt dies zwangsläufig dazu, dass die Fans aus ganz Deutschland oder im schlimmsten Fall der ganzen Welt anreisen. Der CO2-Fußabdruck steigt ganz automatisch.
Kooperation mit dem ÖPNV: Hürden und eine mögliche Lösung
Gerade was die An- und Abreise angeht, ist eine Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr essentiell. Doch auch hier ist die Umsetzung eines ÖPNV-Kombiticket aktuell umständlich. Dies liegt an der dezentralen Organisation der Verkehrsbünde, denn der Veranstalter muss für ein Kombiticket einzeln mit dem jeweiligen Verkehrsverbund sprechen.
„Eine Lösung, die u.a. vom BDKV vorangetrieben wird, ist eine Art ‚1-Tages-Deutschlandticket‘ für alle Veranstaltungen. Hier müssen Hürden abgebaut werden für die Veranstalter*innen, um die Integration des ÖPNV zu vereinfachen.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Handlungsempfehlungen für die Veranstaltungsbranche
- Infrastruktur verbessern: Politik und Verkehrsunternehmen sollten nachhaltige Mobilitätskonzepte entwickeln und umsetzen.
- Kommunikation intensivieren: Nachhaltige Anreiseoptionen sollten aktiv kommuniziert und beworben werden.
- Regionale Anreise fördern: Künstler*innen sollten verstärkt Konzerte in verschiedenen Regionen geben, um lange Anreisewege zu vermeiden.
- Sichere Abstellmöglichkeiten schaffen: Sichere Fahrradstellplätze und organisierte Busanreisen sollten angeboten werden.
„Und ganz klar: Ohne Infrastruktur geht’s nicht. Wir brauchen eine Politik, die die Verkehrswende als ernsthaftes Ziel verfolgt.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft
Mit der Projektzusammenfassung steht eine frei zugängliche Ressource zur Verfügung, die die Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse erleichtert. Verschiedene Akteurinnen und Akteure können hier ihren Beitrag leisten: Veranstalterinnen, Booking-Agenturen, Künstlerinnen, Ticketanbieter, Spielstätten, Verkehrsbetriebe und nicht zuletzt die Politik.
„Wir arbeiten gerade daran das Konzept auch auf andere Arten von Großveranstaltungen zu übersetzen, denn es gibt ja sehr viel mehr Veranstaltungen mit großen Publikumsbewegungen als nur Musikkonzerte.“
Rosa Hoelger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei The Changency, Co-Projektleitung TICKET TO RIDE
Das Projekt TICKET TO RIDE zeigt eindrucksvoll, wie die Veranstaltungsbranche durch gezielte Maßnahmen und aktive Zusammenarbeit nachhaltiger gestaltet werden kann. Eine gut ausgebaute Infrastruktur und effektive Kommunikation sind entscheidend für eine umweltfreundliche Anreise. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen können Großveranstaltungen erheblich zum Klimaschutz beitragen und gleichzeitig die Zufriedenheit des Publikums erhöhen.
Mehr über die detaillierten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Projekts erfahren Sie auf der offiziellen Webseite TICKET TO RIDE. Gemeinsam kann die Zukunft der Veranstaltungsbranche nachhaltig gestaltet werden!
Bild: Luan Madh (Startbild)