Barrierefreiheit ist längst kein Randthema mehr. In einer Gesellschaft, die Vielfalt lebt und Gleichberechtigung fördert, müssen auch Veranstaltungen zunehmend so konzipiert sein, dass sie für alle Menschen zugänglich sind. Doch was bedeutet das konkret für die Veranstaltungsbranche? Und wie kann Barrierefreiheit professionell umgesetzt werden?
Warum barrierefreie Events mehr sind als Rampen und Aufzüge
Barrierefreiheit ist ein ganzheitliches Konzept. Sie umfasst weit mehr als den stufenlosen Zugang zum Veranstaltungsort. Wer barrierefrei plant, denkt an Menschen mit unterschiedlichen körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen – und an deren Perspektive.
Zugänglichkeit bedeutet, dass Informationen, Kommunikation, Orientierung, Infrastruktur und Inhalte für alle verständlich und nutzbar sind. Das gilt für die Anmeldung genauso wie für das Leitsystem im Gebäude oder die Gestaltung des Bühnenprogramms. Wer hier frühzeitig plant, vermeidet nicht nur ungewollte Ausschlüsse, sondern steigert auch die Qualität und Reichweite seiner Veranstaltung.
Technische Umsetzung: Barrierefreiheit als Bestandteil der Eventtechnik

Opus Technologies stellte auf der Prolight + Sound 2025 sein Aura by Opus System vor.
- Induktive Höranlagen für Menschen mit Hörgeräten, etwa im Bühnenbereich oder in Vortragssälen
- Gebärdensprachdolmetscher, die über entsprechende Kamera- und Leinwandtechnik eingebunden werden
- Schriftdolmetschung in Echtzeit über Displays oder Projektionen
- Audiodeskription über Kopfhörer für blinde und sehbehinderte Menschen
- Barrierefreie Websites und mobile Event-Apps nach WCAG-Standard (Web Content Accessibility Guidelines)
Ein besonders vielversprechender Fortschritt im Bereich barrierefreier Audiotechnik ist die Einführung von Auracast™ Broadcast Audio. Die neue Bluetooth-Technologie ermöglicht es, dass Veranstaltungsorte Audiosignale gleichzeitig an beliebig viele Empfangsgeräte senden – etwa an Smartphones, Hörgeräte oder Cochlea-Implantate. Für Events bedeutet das: Besucherinnen und Besucher mit Hörbeeinträchtigungen können das Bühnengeschehen in individuell angepasster Lautstärke und Tonqualität empfangen – ohne zusätzliche Empfangsgeräte. Gerade in komplexen akustischen Umgebungen wie Messen, Vortragsbühnen oder Live-Konzerten eröffnet Auracast eine neue Dimension der inklusive Audioübertragung. Veranstaltungsorte, die frühzeitig in diese Technologie investieren, setzen ein starkes Zeichen für Inklusion und Zukunftsfähigkeit. Opus Technologie hat auf der Prolight + Sound 2025 diesen neuen Broadcasting-Standard vorgestellt und ihre Technologie dazu präsentiert.
Insbesondere hybride Events eröffnen neue Potenziale, um barrierearm zu kommunizieren, etwa durch wählbare Untertitel, alternative Sprachkanäle oder digitale Begleitmaterialien in Leichter Sprache.
Location, Logistik, Leitsystem: Worauf Veranstalter achten sollten
Wer eine barrierefreie Veranstaltung plant, sollte den Veranstaltungsort gezielt danach auswählen. Kriterien sind unter anderem:
- Stufenloser Zugang von Parkplätzen bis zum Veranstaltungsraum
- Automatische Türöffner, Rampen oder Aufzüge
- Barrierefreie Sanitäranlagen
- Gut lesbare Beschilderung und klare Wegführung – idealerweise ergänzt um taktile oder akustische Leitsysteme
- Sitzplatzreservierungen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und deren Begleitpersonen
Nicht zu unterschätzen: Auch der Zugang zum Cateringbereich, zu Garderoben oder Ausstellerständen sollte ohne Hürden möglich sein. Planungsbüros und technische Dienstleister können hier entscheidende Impulse geben, um bauliche oder logistische Lösungen frühzeitig mitzugestalten.
Die Aktion Mensch hat eine Checkliste zusammengestellt, wie Veranstaltungen barrierefrei gestaltet werden können.
Messe Frankfurt: Begegnungen ohne Barrieren
Die Messe Frankfurt zählt zu den größten Messeplätzen der Welt und setzt zugleich Maßstäbe für Barrierefreiheit auf internationalen Großveranstaltungen. Unter dem Motto „Begegnungen ohne Barrieren“ stellt das Unternehmen ein umfassendes Angebot bereit, das Besucherinnen und Besuchern mit körperlichen Einschränkungen einen reibungslosen Messebesuch ermöglicht – und Veranstalterinnen und Veranstaltern Planungssicherheit bietet.
Stufenlos durch das Gelände – mit der Via Mobile

Ein Mann im Rollstuhl fährt über einen barrierefreien Verbindungsgang der Messe Frankfurt.
Herzstück der barrierefreien Erschließung ist das überdachte Leitsystem „Via Mobile“, das die wichtigsten Hallen des Messegeländes über Rollsteige, Aufzüge und Laufbänder miteinander verbindet. Die Verbindung ist durchgängig stufenlos begeh- und befahrbar und schützt Besucher bei jedem Wetter. Auch große Entfernungen auf dem Gelände lassen sich so komfortabel überbrücken.
Barrierefreie Sanitäranlagen mit Euro-Schlüssel-System
In sämtlichen Messehallen sind behindertengerechte Sanitäreinrichtungen mit ausreichend Bewegungsfläche, Haltegriffen und Notrufsystemen vorhanden. Diese sind mit dem in Europa verbreiteten Euro-WC-Schlüssel zugänglich. Sollte dieser nicht vorhanden sein, hilft das Hallenpersonal gerne weiter. Die zentrale Lage der WC-Anlagen sorgt zusätzlich für kurze Wege.
Mobilität vor Ort: Rollstühle, Scooter und Parkmöglichkeiten
Für Besucherinnen und Besucher, die auf Mobilitätshilfen angewiesen sind, stehen Rollstühle und Elektroscooter zur Ausleihe bereit. Diese können gegen eine Kaution am Eingang oder im Operation & Security Center (OSC) ausgeliehen werden. Eine vorherige telefonische Reservierung wird empfohlen, um Verfügbarkeit und passgenaue Modelle sicherzustellen.
Auch bei der Anreise ist Barrierefreiheit mitgedacht: Die Messe Frankfurt bietet eigene Parkplätze für Menschen mit Gehbehinderungen, unter anderem am Tor Nord oder im Parkhaus Rebstock. Von dort aus ermöglichen Shuttlebusse und kurze Wege den stufenlosen Zugang zum Gelände. Wer Unterstützung benötigt oder einen barrierefreien Zugang im Vorfeld absprechen möchte, kann sich direkt an die zentrale Kontaktstelle wenden.
Ticketregelungen und Begleitpersonen
Besucherinnen und Besucher mit einem Behindertenausweis mit dem Merkzeichen „B“ erhalten für ihre Begleitperson kostenlosen Zutritt zu Veranstaltungen. Diese Regelung gilt sowohl für Messeveranstaltungen als auch für Events in der angeschlossenen Festhalle. Der Nachweis wird beim Ticketkauf oder am Einlass vorgelegt.
Barrierefreiheit in der Festhalle Frankfurt
Auch die historische Festhalle Frankfurt, Teil des Messeareals und oft Veranstaltungsort von Konzerten und Gala-Abenden, ist in weiten Teilen barrierefrei zugänglich. Im Innenraum stehen spezielle Rollstuhlplätze zur Verfügung. Der Zugang zu den oberen Rängen ist jedoch baulich bedingt eingeschränkt: Es gibt keine Aufzüge zu den Tribünenplätzen im ersten und zweiten Rang. Wer die barrierefreien Plätze im Parterre nutzen möchte, sollte dies bei der Buchung angeben.
Persönlicher Kontakt und barrierefreie Orientierungshilfen
Besonders hilfreich ist das dedizierte Serviceangebot der Messe Frankfurt für Menschen mit Behinderungen: Unter der E-Mail-Adresse barrierefrei@messefrankfurt.com sowie telefonisch unter +49 69 7575-6999 steht ein geschultes Serviceteam für alle Rückfragen, Sonderbedarfe und individuelle Reiseplanungen zur Verfügung.
Darüber hinaus bietet die Messe barrierefreie Geländepläne zum Download, die wichtige Informationen zu Wegen, Zugängen, WC-Anlagen und Services enthalten – auch in digitaler Form für die mobile Nutzung vor Ort.
Kommunikation und Sprache: Barrieren im Kopf abbauen

Barrierefrei unterwegs: Ein blinder Besucher mit Begleitperson auf dem Gelände der Messe Frankfurt.
Eine barrierefreie Veranstaltung beginnt bei der Einladung. Texte in Leichter Sprache, klare Piktogramme und alternative Formate wie Audioversionen oder Gebärdensprachvideos können helfen, mehr Menschen zu erreichen.
Während der Veranstaltung sollte die Moderation inklusiv denken: Geschlechtergerechte Sprache, Begrüßung in Gebärdensprache oder die bewusste Nennung von barrierefreien Angeboten fördern das Gefühl, willkommen zu sein. Auch digitale Begleitmedien, wie barrierefreie PDFs oder Bildschirmlesefassungen von Programmen, können einen großen Unterschied machen.
Gesetzliche Grundlagen und gesellschaftliche Verantwortung
Die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen klare Zeichen: Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und der UN-Behindertenrechtskonvention ist Inklusion nicht nur Wunsch, sondern Verpflichtung. Die DIN 18040 definiert technische Standards, während die BITV 2.0 für digitale Barrierefreiheit sorgt.
Für die Eventbranche bedeutet das: Barrierefreiheit wird zunehmend auch zur Ausschreibungsvoraussetzung. Öffentliche Auftraggeber, aber auch Unternehmen und NGOs setzen auf inklusive Veranstaltungen, die gesellschaftliche Vielfalt ernst nehmen.
Gute Planung zahlt sich aus – wirtschaftlich und menschlich
Barrierefreie Events sind nicht automatisch teurer – sie sind besser durchdacht. Viele Maßnahmen lassen sich durch vorausschauende Planung kosteneffizient umsetzen. Gleichzeitig wächst die Zielgruppe: Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit temporären Einschränkungen – sie alle profitieren von inklusiven Konzepten.
Hinzu kommt der Imagegewinn: Wer Barrieren abbaut, zeigt gesellschaftliche Verantwortung und positioniert sich als moderne, inklusive Marke.
Barrierefreiheit als Zukunftsthema der Eventbranche
Barrierefreie Events sind kein „Nice-to-have“, sondern ein Qualitätsmerkmal zukunftsorientierter Veranstaltungsplanung. Von der technischen Umsetzung über räumliche Zugänglichkeit bis zur kommunikativen Gestaltung – die Anforderungen sind komplex, aber lösbar.
Die Prolight + Sound versteht sich als Plattform, die Trends in der Veranstaltungstechnik sichtbar macht. Barrierefreiheit gehört zweifellos dazu. Denn nur wenn Events für alle zugänglich sind, entfalten sie ihr volles Potenzial.