Gedämpftes Stimmengewirr in der Messehalle, Musik vom Nachbarstand, die Klimaanlage rauscht – und mittendrin: ein Vortrag. Während die meisten Besucher, dem ortrag trotzdem folgen können, ist er für jemanden mit Hörgerät schwer zu verstehen. Trotz aller Technik bleibt der Ton schwer verständlich. Die Hintergrundgeräusche überlagern das Gesagte, das Gesprochene wirkt diffus. Mit Auracast, einem neuentwickeltem Bluetooth-Standard, eröffnet sich ein anderer Weg: Audio wird nicht mehr über Lautsprecher verteilt, sondern direkt an die Ohren der Besucherinnen und Besucher geschickt – störungsfrei, individuell und effizient. Ob auf Messen, in Konferenzzentren, bei Konzerten oder Stadtfesten – die Art und Weise, wie Toninhalte verteilt und gehört werden können, erfährt durch Auracast eine spürbare Weiterentwicklung. Veranstaltungen werden damit barrierefreier und individueller erlebbar.
Was ist Auracast?
Auracast ist eine Funktion der neuen Bluetooth Low Energy (LE) Audio-Spezifikation. Entwickelt von der Bluetooth Special Interest Group (SIG), ermöglicht Auracast eine Audioübertragung im Broadcast-Modus. Das bedeutet: Ein Gerät – etwa ein Smartphone, Mikrofon-Transmitter oder ein Audiointerface – sendet Audio, das von einer Vielzahl kompatibler Empfangsgeräte empfangen werden kann. Eine Kopplung wie bei herkömmlichen Bluetooth-Verbindungen ist nicht erforderlich.
Die Technologie nutzt den lizenzfreien, offenen Opus-Codec, der sowohl für Sprache als auch für Musik optimiert ist. Die Kombination aus Effizienz, Klangqualität und niedriger Latenz macht Auracast insbesondere für Echtzeitübertragungen auf Events interessant.
Technische Vorteile auf einen Blick
Auracast bringt eine Reihe von Eigenschaften mit, die speziell für die Anforderungen in der Event-Industrie relevant sind:
- Unbegrenzte Empfängerzahl: Ein einzelner Sender kann Audio an beliebig viele kompatible Geräte übertragen.
- Niedrige Latenz: Dank Bluetooth LE Audio und Opus sind synchrone Audioübertragungen möglich.
- Kein Pairing nötig: Nutzerinnen und Nutzer können Audiokanäle per Knopfdruck oder QR-Code auf ihren Geräten aktivieren.
- Multikanalfähigkeit: Parallelübertragungen von mehreren Tonquellen sind technisch realisierbar – z. B. bei mehrsprachigen Veranstaltungen.
- Energieeffizienz: Die LE-Technologie verbraucht deutlich weniger Strom als klassische Bluetooth-Verbindungen.
So funktioniert Auracast im Detail

So funktioniert Auracast. Bild: Opus Technologies
Auracast basiert auf dem Bluetooth Low Energy (LE) Standard, der speziell für niedrigen Energieverbrauch und stabile Verbindungen entwickelt wurde. Im Gegensatz zu herkömmlichem Bluetooth, das pro Empfänger eine eigene Verbindung benötigt, sendet Auracast einen Audiostream gleichzeitig an mehrere Geräte. Der Verbindungsaufbau ist dabei denkbar einfach: Nutzerinnen und Nutzer wählen auf ihrem Smartphone, Tablet oder kompatiblen Endgerät einfach die gewünschte Auracast-Quelle aus – ganz ohne manuelles Pairing. Hinter dem System steckt ein speziell optimiertes Protokoll, das auch bei vielen gleichzeitigen Empfängern für geringe Latenz und hohe Klangqualität sorgt – ideal für laute oder stark frequentierte Umgebungen wie Bahnhöfe, Messen oder Konzerthallen.
OPUS Technologies zeigt Auracast-Lösung
Auf der Prolight + Sound 2025 hat OPUS Technologies ihre Auracast-Integration Aura by Opus einem breiten Fachpublikum vorgestellt. Das französische Unternehmen, bekannt für seine barrierefreien Audio- und Induktionslösungen, demonstrierte am Gemeinschaftsstand von MIPRO, wie sich Auracast nahtlos in bestehende Beschallungssysteme einbinden lässt.
Auracast wird sich in verschiedenen Veranstaltungsszenarien einsetzen lassen – zum Beispiel bei Führungen, mehrsprachigen Präsentationen oder als Unterstützung für Menschen mit Hörbeeinträchtigung. Diese Technologie hat das Potenzial, Veranstaltungen barrierefreier zu gestalten als je zuvor. Das Ziel ist es, dass künftig jede Besucherin und jeder Besucher ihr eigenes Gerät nutzen kann – unabhängig davon, ob es sich um ein Smartphone, einen Kopfhörer oder ein Hörgerät handelt.
Martin Lutz, General Manager & Head of Export Sales MIPRO Germany
Anwendungsszenarien auf Veranstaltungen

Opus Technologies stellte auf der Prolight + Sound 2025 sein Aura by Opus System vor.
Die Einsatzmöglichkeiten von Auracast sind vielfältig und reichen weit über klassische Beschallungslösungen hinaus. Besonders dort, wo individuelle Audioerlebnisse gefragt sind oder Barrierefreiheit eine Rolle spielt, zeigt die Technologie ihre Stärken. Im Folgenden einige typische Szenarien, in denen Veranstaltende und Teilnehmende gleichermaßen profitieren können.
- Mehrsprachige Konferenzen: Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer können künftig über ihre eigenen Bluetooth-Kopfhörer den Audiokanal in der gewünschten Sprache empfangen – ganz ohne Leihgeräte oder Infrarot-Empfänger. Das reduziert Aufwand und Kosten für Veranstaltende erheblich.
- Barrierefreie Events: Menschen mit Hörbeeinträchtigungen profitieren besonders von Auracast: Die Technologie ermöglicht es, Audio direkt an Hörgeräte zu senden – vorausgesetzt, diese sind LE-Audio-kompatibel. So wird Barrierefreiheit auf Events einfacher umsetzbar und für viele Teilnehmende selbstverständlich.
- Silent Events und Messeführungen: Bei sogenannten Silent Events, also Veranstaltungen ohne externe Lautsprecher, bekommen Besucherinnen und Besucher den Ton direkt auf ihre Kopfhörer. Auch geführte Messebesuche oder Touren durch Ausstellungen können so individuell und störungsfrei gestaltet werden.
- Crowd Management & Safety: Auracast lässt sich auch für sicherheitsrelevante Ansagen oder Evakuierungsdurchsagen nutzen. Besucherinnen und Besucher empfangen wichtige Informationen direkt auf ihrem Smartphone oder Headset – unabhängig von Umgebungsgeräuschen.
Auch Google beteiligt sich an der Entwicklung. Die Vision ist es, dass es auf Google Maps eine Applikation geben wird, mit der man auswählen kann, an welchen Orten Auracast verfügbar ist. Dahin geht die Entwicklung gerade.
Martin Lutz, General Manager & Head of Export Sales MIPRO Germany
Kompatibilität und Marktverfügbarkeit
Viele große Hersteller – darunter Samsung, Xaomi, Google und Sony – unterstützen den neuen Standard bereits in aktuellen Geräten. Erste Kopfhörer, Smartphones und Audiogeräte mit Auracast-Unterstützung sind seit 2023 auf dem Markt. Der Trend zeigt klar: Auracast wird zur Standardfunktion in der nächsten Gerätegeneration.
Es haben sich mittlerweile viele Brands dem Standard angeschlossen – auch Hörgeräte-Hersteller. Ein paar Jahre wird es sicher noch dauern bis es zum Standard gehört, dass Geräte Auracast-fähig sind, aber wir sind auf einem guten Weg.
Martin Lutz, General Manager & Head of Export Sales MIPRO Germany
Noch unterstützt jedoch nicht jedes Bluetooth-Gerät automatisch Auracast. Veranstalterinnen und Veranstalter sollten also bei der Auswahl ihrer Eventtechnik auf LE-Audio-Fähigkeit achten – insbesondere bei Sendern und Audiointerfaces.
Neue Möglichkeiten für Eventtechnik-Anbieter
Für Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungstechnik eröffnet Auracast neue Geschäftsfelder. Statt aufwendiger Setups mit Funkstrecken, Infrarot oder Wi-Fi-basierten Systemen, kann Audio über Auracast einfacher und kosteneffizient übertragen werden.
Ein Beispiel: Ein Veranstaltungsdienstleister bietet ein Mietsystem aus einem Auracast-Sender und einer Auswahl an kompatiblen Bluetooth-Kopfhörern an – ideal für Vorträge, Führungen oder temporäre Installationen. Auch Integratoren können Auracast in bestehende AV-Systeme einbinden.
Herausforderungen in der Praxis
Wie jede neue Technologie bringt auch Auracast Herausforderungen mit sich:
- Gerätekompatibilität: Noch sind nicht alle Smartphones oder Kopfhörer Auracast-ready. Eine Informationsstrategie für Besucherinnen und Besucher ist essenziell.
- Reichweite und Interferenzen: Zwar ist Bluetooth LE effizient, dennoch können bei großen Flächen oder vielen parallelen Quellen technische Einschränkungen auftreten.
- Datenschutz und Frequenzmanagement: Veranstaltende müssen sicherstellen, dass keine sensiblen Inhalte ungewollt übertragen oder mitgeschnitten werden.
Ausblick: Langfristige Veränderungen in der Eventlandschaft
Auracast hat das Potenzial, die klassische Tonverteilung bei Events nachhaltig zu verändern. Besonders in Kombination mit Event-Apps ergeben sich neue Interaktionsmöglichkeiten: Besucherinnen und Besucher wählen direkt in der App den passenden Audiokanal, steuern Lautstärke und bekommen weiterführende Inhalte wie Transkripte oder Präsentationsfolien eingeblendet.
Zudem wird die Technik zur Stärkung von Inklusion und Nutzererlebnis beitragen. Denkbar sind auch hybride Formate, bei denen Auracast-Signale sowohl vor Ort als auch über Livestreams zur Verfügung gestellt werden.