Der Festivalsommer hat seinen ganz eigenen Reiz. Die Freude am gemeinsamen Erleben von Musik, Kunst und Kultur zieht jedes Jahr Tausende von Menschen an Orte wie Wacken, Rock am Ring oder das Rheingau Musikfestival. Doch auch in dieser scheinbar glanzvollen Welt gibt es Herausforderungen und Krisen, die es zu bewältigen gilt.
Hohe Ticketpreise und finanzielle Instabilität
Ein Hauptgrund für die aktuellen Schwierigkeiten in der Festivalbranche sind insbesondere die gestiegenen Kosten. Die Preise für Personal, Energie, Technik und Künstlergagen haben sich deutlich erhöht. So haben sich die Künstlerhonorare beispielsweise um bis zu 300 Prozent erhöht. Dazu haben sich die Wetterrisiken verändert, so dass andere Investitionen in Versicherungen, Bauten, den Boden und ähnliches notwendig sind. Auch Energie- und Logistikkosten sowie Technik ist teurer geworden. Unterm Strich sind die Produktionskosten alleine um etwa 40 Prozent angestiegen.
„Wir haben einen extremen Kostenanstieg von bis zu 250 Prozent in einzelnen Bereichen gehabt“, berichtet Lara Wassermann, Sprecherin des Festivals „Zurück zu den Wurzeln“ in der taz. Das Festival mit rund 8.000 Besuchern fand im Juni im brandenburgischen Niedergöhrsdorf statt.
Diese Kosten werden dann an die Besucher weitergegeben. Ein Ticket für das Hurricane-Festival kostet inzwischen bis zu 280 Euro – eine erhebliche Summe für viele Musikfans. Dies schreckt potenzielle Besucher ab und führt zu sinkenden Besucherzahlen.
Und trotz der hohen Preise sind häufig die Kosten nicht gedeckt. „Diese Preissteigerungen, gerade auch beim Personal, konnten wir nicht eins zu eins weitergeben“, erklärt Stephan Thanscheidt, Geschäftsführer des Veranstaltungsunternehmens FKP Scorpio. Für ihn ist das die größte Herausforderung: Trotz der Preise für Festivals, die gefühlt für die Menschen da draußen hoch sind, sind für viele Veranstalter nicht ausreichend. Festivals müssen also zu einem Modell gemacht werden, wo man trotz ausverkaufter Festivals nicht draufzahlt.
Da die Ticketverkäufe also längst nicht alle Kosten abdecken, benötigen Festivals verstärkt Einnahmen aus Gastronomie, von Sponsoren und aus Merchandise-Verkäufen. Damit Musikfans weiterhin unter freiem Himmel feiern können.
Doch auch gesellschaftliche Änderungen tragen zu einer veränderten Ausgangssituation. Viele Besucher warten bis kurz vor dem Event, eh sie Tickets kaufen und sich entscheiden das Festival zu besuchen. Die Gründe dafür sind vielfältig. So zählen sicherlich die hohen Ticketpreise dazu. Allerdings wollen Besucher auch sicherstellen, dass sie auch wirklich an der Veranstaltung teilnehmen können oder, dass das Wetter mitspielt.
Übersättigung des Marktes
Die gestiegenen Kosten sind jedoch nur ein Teil des Problems. Der Branchenverband spricht von einer Übersättigung des Marktes. Die Anzahl der Festivals ist seit der Zeit vor Corona trotz der genannten Herausforderungen deutlich gestiegen. Dies liegt daran, dass viele Menschen nach Momenten der Gemeinschaft und Identifikation suchen. Dennoch führt die hohe Anzahl an Veranstaltungen dazu, dass nicht alle Festivals finanziell rentabel betrieben werden können. Bekannte Beispiele für abgesagte oder eingestellte Festivals sind das Melt Festival und das Hip-Hop Open. Diese Marktsättigung zwingt viele Veranstalter dazu, innovative Wege zu finden, um sich von der Masse abzuheben und ein einzigartiges Erlebnis zu bieten.
Anpassung und Innovation als Schlüssel zum Überleben
Um in diesem schwierigen Umfeld zu bestehen, müssen Festivals sich ständig weiterentwickeln und neue Wege finden, um attraktiv zu bleiben. Alexander Feiertag vom Open Flair Festival betont die Notwendigkeit, dass Festivals heute mehr bieten müssen als nur Musik. Die Vielfalt der Angebote ist entscheidend, um ein breites Publikum anzusprechen. So ergänzen Kleinkunst, Kabarett, Comedy und andere kulturelle Aktivitäten das Programm und bieten den Besuchern ein umfassendes Erlebnis.
Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Anpassung ist das Rheingau Musikfestival. Caroline Lazaro berichtet, dass ihr Festival trotz der gestiegenen Kosten keine Krise erlebt. Die Nachfrage nach ihrem Festival ist sogar sehr gut. Sie betont die Bedeutung von Sponsoren und öffentlicher Förderung für den Erfolg ihres Festivals. Eine Mischung aus etablierten Künstlern und Nachwuchstalenten trägt ebenfalls zur Attraktivität und Vielfalt des Programms bei.
Auch das Burg Herzberg Festival, das älteste Freiluft-Hippie-Festival Europas, zeigt, wie wichtig es ist, über die Musik hinauszugehen. Das Festival bietet neben Musik auch Yoga und Kakaozeremonien an. Diese Angebote stärken die kreative Atmosphäre und das Gemeinschaftsgefühl unter den Besuchern. Robert Stolz von Future of Festivals hebt hervor, dass Festivals innovativ sein müssen und möglicherweise kleiner werden sollten, um nachhaltig zu überleben. Die Anpassung an neue Bedingungen und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Festivalszene sind entscheidend für das Überleben der Branche.
Die Bedeutung von Gemeinschaft und Internationalität
Ein weiteres Erfolgsbeispiel ist das Wacken Open Air, das größte Metal-Festival der Welt. Lydia Paul beschreibt die Internationalität und das starke Gemeinschaftsgefühl, das dieses Festival auszeichnet. Trotz herausfordernder Wetterbedingungen bleibt Wacken eine feste Größe in der Festivalszene. Die Anpassung des Dorfes Wacken an das Festival und die wirtschaftlichen Vorteile, die es den Dorfbewohnern bringt, sind weitere Beispiele für die positive Wirkung von Festivals auf lokale Gemeinschaften.
Nachhaltigkeit und technologische Innovation
- Kompensation des CO2-Fußabdrucks: Festivals investieren in Projekte zur CO2-Kompensation, um ihre Umweltbelastung zu verringern.
- Einsatz erneuerbarer Energien: Der Umstieg auf Solar- oder Windenergie für den Festivalbetrieb wird zunehmend wichtiger.
- Abfallmanagement und Recycling: Strikte Mülltrennung und Recyclingprogramme helfen, den Abfall auf Festivals zu reduzieren.
- Nachhaltige Gastronomie: Der Einsatz von regionalen, biologischen und vegetarischen/veganen Speisen trägt zur Nachhaltigkeit bei.
- Aufklärung und Bewusstseinsbildung: Festivals bieten Workshops und Informationsstände an, um das Bewusstsein der Besucher für Umweltfragen zu schärfen.
- Vermeidung von Überkonsum: Programme zur Reduzierung von übermäßigem Konsum, wie der Verzicht auf überflüssige Giveaways, tragen zur Ressourcenschonung bei.
- Partnerschaften mit Umweltschutzorganisationen: Viele Festivals arbeiten eng mit NGOs zusammen, um nachhaltige Praktiken weiter zu fördern und zu unterstützen.
Nachhaltigkeit in der Eventbranche
Internationale Situation
Auch international zeigt sich ein ähnliches Bild. In Australien beispielsweise musste das Splendour in the Grass Festival 2024 abgesagt werden, da die gestiegenen Kosten für Equipment, Sicherheit und Logistik nicht mehr tragbar waren. Die australische Festivalvereinigung betont die Notwendigkeit staatlicher Unterstützung, um die Branche zu stabilisieren. In Großbritannien wurden laut der Association of Independent Festivals in diesem Jahr bereits 40 Festivals abgesagt, was auf die dramatischen Anstiege bei den Betriebskosten und die Auswirkungen der Lebenshaltungskostenkrise zurückzuführen ist. Auch hier wird dringend eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Ticketverkäufe gefordert, um den Veranstaltern finanziell entgegenzukommen.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Trotz positiver Entwicklungen und innovativer Ansätze stehen viele Festivals vor finanziellen und organisatorischen Herausforderungen. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten und die Notwendigkeit, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, stellen viele Veranstalter vor schwierige Entscheidungen. Die Krise der Festivalbranche wird durch hohe Ticketpreise, finanzielle Instabilität und die Übersättigung des Marktes verstärkt. Dennoch bleibt die Begeisterung der Menschen für Festivals ungebrochen.
Die Zukunft der Festivals hängt von der Fähigkeit ab, sich an veränderte Bedingungen anzupassen und innovative Lösungen zu finden. Nachhaltigkeit, technologische Innovation und die Erweiterung des Angebots sind Schlüsselstrategien, um weiterhin attraktiv und finanziell nachhaltig zu bleiben. Die Festivalbranche befindet sich in einer Transformationsphase, in der alte Strukturen aufbrechen und neue Konzepte entstehen. Trotz aller Widrigkeiten zeigt sich, dass Festivals nach wie vor eine starke Anziehungskraft auf Menschen ausüben und eine wichtige kulturelle und soziale Funktion erfüllen.