Nicht nur die Organisation in den Messhallen und rund um das Außengelände erfordern organisatorisches Geschick. Häufig unterschätzt wird der Aufwand, der sich hinter der Koordination der Verkehrsführungen, Parkplätze und An- und Abreise der Logistik verbirgt. Torsten Müller, tätig im Verkehrmanagement der Messe Frankfurt Venue GmbH, hat uns im Interview verraten, welche großen und kleinen Herausforderungen in diesem Bereich zu bewältigen sind.
1. Vor, während und nach der Messe organisieren Sie den Verkehr rundum das Messegelände. Wo liegen die größten Herausforderungen?
Torsten Müller: Wenn alle Hallen und Freigeländeflächen belegt sind, ist es eine große Herausforderung, den Aufbau und noch mehr den Abbau reibungslos zu organisieren. D.h., die Rettungswege müssen immer frei sein. Da kann es dazu kommen, dass die Zufahrt zum Messegelände am Check-In gestoppt werden muss.
Spannend wird es auch, wenn die Abbaueinfahrt einer Messe ansteht und die Verkehrspolizei wegen einer Demonstration im Stadtgebiet nicht verfügbar ist.
2. Was müssen Aussteller beachten, wenn sie ihre Messestände per LKW anliefern lassen?
Torsten Müller: Alle Fahrzeuge sollen im Vorfeld angemeldet werden. Dafür haben wir seit 2016 unsere Registrierungsplattform im Internet. Die Registrierung ist immer 10 Wochen im Voraus möglich, aber die meisten Registrierungen erfolgen unmittelbar vor Aufbaubeginn und dann teilweise sehr kurzfristig. Die Kunden müssen beachten, dass wir für die Bearbeitung in der Regel 36 Stunden benötigen. Bei sehr großer Nachfrage kann es aber auch länger dauern.
Im Aufbau selber müssen alle LKW über den Check-In am Rebstock fahren. Dort wird die Einfahrtsberechtigung für das Messegelände ausgegeben, sofern im Messegelände freie Kapazitäten an Stellflächen und je nach Bedarf auch an Gabelstaplern zur Verfügung stehen. Insbesondere morgens zwischen 7:00 Uhr und 10:00 Uhr ist das Fahrzeugaufkommen in der Regel am größten, parallel zu dem üblichen Frankfurter Berufsverkehr. Wer Wartezeiten vermeiden möchte, sollte entweder früher kommen oder gegen Mittag.
3. Wie hat sich der Verkehr / die Auf- und Abbau-Anlieferung in den vergangenen Jahren gewandelt?
So wie sich das Messegelände in den letzten 20 Jahren verändert hat, kam es auch beim Verkehr zu Veränderungen. Früher wurden alle Aufbaufahrzeuge direkt am Tor handschriftlich erfasst und gezählt. Einfahrtszahlen gab es teilweise erst Tage später. Heute mit unserem elektronischen Einfahrtssystem bekommen wir die Zahlen quasi auf Knopfdruck.
Durch die Südwesterweiterung des Messegeländes haben wir zunächst Flächen gewonnen, aber mit jeder Baustelle auf dem Messegelände wurden die Verkehrsflächen wieder kleiner. Mit dem Bau der Halle 12 haben wir 35.000 m² Verkehrs- und Logistikfläche verloren.
Früher kamen die Standbauer aus Deutschland, heute aus den osteuropäischen Ländern. Früher kamen diese mit 40 t-LKW. Wegen der Lenkzeitenbeschränkung und verstärkter Kontrollen steigen die Spediteure vermehrt auf Sprinter um, was die Fahrzeugzahlen in die Höhe treibt.
4. Welche ungewöhnlichen oder kritischen Situationen gab es bereits während einer Messe?
Torsten Müller: Darüber könnte man Bücher schreiben (hier eine kleine Auswahl):
- VIP-Gäste aus der Musikbranche, die die Messe nicht finden
- Starpianisten, die nahezu unerkannt durch Messehallen laufen, und Hardrocker, die an jeder Ecke erkannt werden
- Busse, die beim Kanzlerrundgang zur Eröffnung der IAA liegen bleiben
- Herrenlose Gepäckstücke mitten im Veranstaltungsbereich
- Sprengstoffhunde, die kurz vor der Messeeröffnung anschlagen (zum Glück war es falscher Alarm)
- Rettungshubschrauber, die mitten zwischen den Aufbau-LKW landen
- Ein falsch geparkter PKW-Anhänger, der abgeschleppt und dann vom Besitzer nicht mehr abgeholt wurde
- Ein Bundespräsident, für den während einer Messe ein ganzer Parkplatz gesperrt wurde, damit der Hubschrauber im Messegelände landen kann
- Deckenverkleidungen in einer Durchfahrt im Veranstaltungsbereich, die während einer Veranstaltung plötzlich herabstürzen
- Ein Fahrzeug, das den Außenzaun durchbricht und gegen eine Messehalle fliegt, und der Fahrer ist spurlos verschwunden, als Helfer eintreffen
- Ein Fallschirmspringer, der zur Messeeröffnung auf der Agora landet
- Ein kompletter Stromausfall im Messegelände, weil im messeeigenen Umspannwerk ein Trafo explodiert ist
- Fahrzeuge, die auf den Außenparkplätzen am Rebstock witterungsbedingt feststeckten und freigeschleppt werden mussten (das war, bevor das Messeparkhaus in Betrieb genommen wurde)
- Ein LKW mit Ladekran, der einen Container abladen will und vergisst, die Stützen auszufahren, Ergebnis: ein LKW, der auf der Seite liegt und selber einen Kran benötigt
- Greenpeace-Aktivisten, die sich vom Dach einer Messehalle abseilen
- An einem ersten Messetag spontane Streiks der Linienbusfahrer, die auch den Messeverkehr bedienen, alternativ wurden kurzfristig Reisebusse eingesetzt
- Kurzfristige Ausfälle bei U- und S-Bahnen (z.B. durch Oberleitungsstörungen, Personenschäden, Stellwerksausfällen, o.ä.) während einer Messe, die dazu führen, dass Besucherströme umgeleitet werden müssen und u.a. auch Busrouten im Messegelände geändert werden müssen
5. Was sollten Besucher beachten, wenn Sie mit dem Auto zur Messe kommen wollen?
Torsten Müller: Für Besucher steht bei den meisten Veranstaltungen unser Messeparkhaus Rebstock zur Verfügung. Bei diesem Parkhaus ist zu beachten, dass man bei der Einfahrt kein Ticket zieht. Für das Parken gilt ein Tagespreis. Das Ticket für die Ausfahrt erwirbt man, in dem man an einem der Kassenautomaten in der Bushalle oder im Übergang in der Ebene 2 den Tagespreis bezahlt. Nur mit diesem Ticket kann man an den Ausfahrten die Schranke öffnen. Das Ticket ist auch gleichzeitig die Quittung.
6. Welche Sicherheitsvorkehrungen müssen Sie treffen?
Torsten Müller: Für Sicherheitsvorkehrungen ist in der Regel unser Operation and Security Center (OSC) zuständig. Das OSC und die Sicherheitsbehörden entscheiden zusammen mit dem Veranstalter einer Messe über Sicherheitsvorkehrungen. Das können Fahrzeugsperren sein, die an allen Zufahrten zum Publikumsbereich aufgestellt werden, oder stichprobenartige Fahrzeugkontrollen. Wir setzen die Vorgaben dann gemeinsam um.