Das Theater Eurodistrict Baden Alsace (kurz BAAL) wurde im Jahr 2005 als grenzüberschreitendes Theater gegründet und hat einen Sitz sowohl im französischem Straßburg als auch im deutschen Offenburg. Im September 2019 wurde eine neue Spielstätte direkt am Rheinufer eröffnet. Das Projekt „Europäisches Forum am Rhein“ ist als Begegnungsstätte für Deutsche und Franzosen gedacht. Die moderne Spielstätte des Theaters selbst ist ungewöhnlich oval in Form eines Amphitheaters gebaut und befindet sich im obersten Stockwerk des Forums. Wie viele andere, traf die Corona-Krise auch das Theater BAAL schon kurz nach der Eröffnung des Forums. Doch davon ließ sich das Team nicht abschrecken, sondern war kreativ und entwarf fahrbare Plexiglaskästen, die den Besuchern ein ganz besonderes Theatererlebnis ermöglichen. Wir sprachen mit Intendant Edzard Schoppmann über seine Idee.
Wie kam es zu der Idee?
Es ist so, dass wir im Theater mit reduzierter Zuschaueranzahl spielen dürften – aktuell auch nicht, aber grundsätzlich schon. Ich fand diese Vorstellung recht unbefriedigend, dass nur einzelne Personen in einem Theatersaal sitzen können. Da haben wir uns überlegt, wie man das Thema Abstands- und Hygieneregeln so umsetzen kann, dass es künstlerisch wieder interessant ist. Da kamen solche Gedanken auf wie Spuckschutzwände zwischen den Zuschauern und auch zu der Bühne hin. Was dann aber wieder verworfen wurde. So entwickelte sich die Idee, rollende Performanceboxen aus Glas zu konstruieren, die während des Bühnengeschehens durch die Gegend fahren. So sind Zuschauer und Publikum zwar getrennt, können aber viel intensiver miteinander interagieren als im normalen Theater. Publikum und Schauspieler sind viel näher zusammen. Der Zuschauer fühlt sich so geschützt, ist aber gleichzeitig viel aktiver am Geschehen dran.
Wie entstand die Theaterbox?
Die ganze Konstruktion ist eine 1 x 1 Meter große Glasbox ist mit einer Glastür. Das Ganze auf vier Rollen, so dass der Schauspieler die Box mit einem Zuschauer darin durch die Gegend fahren kann, zum Beispiel auch mitten auf die Bühne. Der Zuschauer ist also direkt im Geschehen. So kann es beispielsweise sein, dass direkt neben der Box ein (Bühnen)Mord geschieht, dabei ein Seil um die Box gewickelt wird und der Zuschauer sich kaum entziehen kann. Er ist eben mittendrin, wie die Schauspieler selbst. Das ist das große Potenzial dieser Idee.
Die Umsetzung der Boxen selbst war ein Prozess. Ich habe mich erstmal im Internet umgesehen und habe unter anderem geschaut, was man mit ganz normalen Duschboxen machen kann, zum Beispiel diese auf Rollen setzen. Das erschien mir aber zu wackelig. Dann hat sich ein Kontakt zu einer lokalen Firma hier in Ortenberg ergeben. „Schäfer vollendet“ heißt diese. Ein Glücksfall, dass diese so nah ist. Dort wird sehr professionell mit Plexiglas gearbeitet. Wir haben unseren Bühnenbauer dazu geholt, der eher ein Kreativ-Handwerker ist. Gemeinsam wurde dann die Plexiglasbox entwickelt. Unten eine Holzplatte, vier Rollen ein kleiner Aluminiumrahmen, damit der Blickwinkel nicht verzerrt wird. Und fertig war die Idee.
Wie wurde das Ganze umgesetzt und finanziert?
Die Produktionszeit hat sich etwa über etwa zwei Monate gezogen. Die Boxen haben oben keinen Deckel und sie haben unten Luftlöcher. In Verbindung mit der sehr modernen Lüftungsanlage des Theaters funktioniert das gut.
Eine Box kostet in etwa 1.000 Euro, wir haben etwa 30 davon herstellen lassen. Das Ganze wurde durch „Neustart Kultur“ des Bunds gefördert. Dort fand man die Idee, wie kreativ mit dem Thema Abstand umgegangen wird, unterstützenswert. So war die Bewilligung der Gelder kein Problem. Sonst hätten wir das für eine so geringe Zuschauerzahl nicht stemmen können.
Was wird nach der Corona Pandemie mit den Boxen passieren?
Unsere Boxen sollen auch nach Corona weiter genutzt werden. Denn wir haben festgestellt, dass diese Idee unglaubliches Potenzial hat. Wir haben damit fast eine neue Theaterform entwickelt.
Da wir aktuell selbst mit den Boxen nicht Theater spielen dürfen, haben wir die Stücke gestreamt und aufgezeichnet. Wir haben mit den genehmigten Zuschauern, die aktuell Statisten sind (es war ja eine Filmaufnahme), im Nachhinein gesprochen. Für alle war dies ein besonderes Erlebnis. Gemeinsam mit den Schauspielern so nah dran am Geschehen zu sein. Und dadurch, dass die Boxen herumgefahren werden, sieht man auch die Reaktionen der anderen Zuschauer auf das Stück. Es entwickeln sich dadurch andere Dimensionen: Das Theater wird zum Event.
Gab es Herausforderungen?
Wir haben natürlich auch an der Akustik gearbeitet, denn das war unsere große Sorge wegen der Wände der Boxen. Es wurde dann noch entsprechendes Equipment gekauft. Da die Boxen nach oben offen sind, kommt nun auch der Ton von oben. Und die Schauspieler haben alle Microports, damit der Ton auch richtig übertragen wird. Es ist technisch schon sehr aufwendig, aber es funktioniert.
Wie geht es weiter?
Wir haben viele Dinge damit ausprobiert. Aktuell sind wir noch beim Theater, wo ich aber hin will ist eine Art Rauminstallation, schon in diesem Herbst. Die Zuschauer werden dann auch in den Boxen sitzen und dann durch die Rauminstallation gefahren werden. Die Idee ist, Assoziationsräume zu schaffen und weniger eine stringente Theatergeschichte zu erzählen. Das wäre der nächste Schritt: Eine Verbindung zu schaffen zwischen Theaterkunst und bildender Kunst.
Impressionen aus dem Stück “Metamorphose”
Bilder: Tilmann Krieg